Vorrichtungsbau entwickelt barrierearmen Handwickeltisch

Wir entwickeln Maschinen für den Menschen.

In der Arbeitsgruppe B5 der Lebenshilfe Werkstätten dreht sich alles um Seile und Schnüre. In vielen Farben und verschiedenen Größen werden jede Woche große Rollen mit Kunststoff-Schnüren angeliefert, produziert bei der Firma Adam Cremers GmbH in Geilenkirchen. Die Seile sind ein Spezialprodukt für elektrische und nichtelektrische Weidezaunanlagen. In den Werkstätten werden die Seile in verschiedenen Längen gekürzt, aufgewickelt und in Reparatur- und Montagesets für mobile Schafs- Ziegen- oder Rinderzäune verpackt. Über 50 Kilometer Seil werden so jede Woche von den 24 Mitarbeitern in der Gruppe B2 verarbeitet. „Wir arbeiten bereits seit vielen Jahren für die Adam Cremers GmbH, die ihre hochwertigen Zaunprodukte mittlerweile auf dem Weltmarkt vertreiben“, erklärt Josef Otten, Betriebsstättenleiter Arbeit und Technik.

Damit die Verarbeitung der Seile einfacher und barrierearmer möglich ist, entwarf Vorrichtungsbauer Lothar Friebe einen halbautomatischen Handwickeltisch für insgesamt sieben Arbeitsplätze. Lothar Friebe ist einer von drei Vorrichtungsbauern der Lebenshilfe Werkstätten, die bereits zahlreiche Maschinen, Montagehilfen, Schrauberstationen, Eindrück-Vorrichtungen oder Wickelhilfen für eine barrierefreie Arbeitsplatzsystemgestaltung entwickelt haben. Der Handwickeltisch im Betrieb 2 ist jedoch mit Abstand der größte barrierefreie Arbeitsplatz, die in den Werkstätten entworfen wurde. Insgesamt drei Monate lang tüftelte der Elektrotechniker daran. Sowohl Gruppenleiterin Ira Habermann als auch Betriebsstättenleiter Josef Otten begleiteten die Entwicklung: „Wir wollen einerseits den Kundenerwartungen im Hinblick auf die Produktqualität gerecht werden, andererseits die Arbeitsabläufe für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sinnvoll erleichtern und optimieren. Alle unsere Ideen und Erwartungen sind so in die Entwicklung eingeflossen“, sagt Ira Habermann.

  • Rund drei Monate entwickelte Vorrichtungsbauer Lothar Friebe den neuen barrierefreien Arbeitsplatz – zunächst am PC entworfen und später in der hauseigenen Vorrichtungswerkstatt zusammengebaut.

  • Sebastian Podaru Ist einer von sieben Mitarbeitern, die am Handwickeltisch arbeiten

  • Daniel Becker steuert mit einem Joystick die Ablängung der Schnüre. Fachkraft Heinz Topp erläutert die Bedienung

  • Die Gabelaufnahme erleichtert die Aufwicklung der Schnüre

  • Jeder Wickeltisch-Arbeitsplatz kann angesteuert und einzeln überprüft werden

  • Die Länge der Schnüre wird elektronisch erfasst. Der Schnittautomat trennt die Einzelstücke sicher ab

  • Bis zu 40 Kilogramm wiegt jede einzelne Rolle. Die Abwicklung wird elektronisch gesteuert

  • Lisa Merz überprüft den Warenbestand für die Weiterverarbeitung.

Sieben schwere Rohseil-Rollen mit jeweils bis zu 40 Kilogramm Gewicht können jetzt am neuen Handwickeltisch gleichzeitig verarbeitet werden. Dadurch können mehrere Produktionsaufträge gleichzeitig erledigt werden. Rund 6000 unterschiedliche Reparatursets werden mittlerweile pro Woche verpackt. An einem Arbeitsplatz kann zudem ein Mitarbeiter mit schwerer Behinderung per Joystick die Abwicklungssteuerung bedienen.

In Corona-Zeiten ist auch die neue Handwickelmaschine aufgrund der Abstandsregelung nicht voll ausgelastet. Insgesamt sieben Mitarbeiter können hier regulär arbeiten.

Der neue Handwickeltisch entspricht der Maschinenrichtlinie 2006/42 EU und hat eine CE-Kennung. Die Bedienungssicherheit ist für die Vorrichtungsbauer genauso wichtig wie eine wartungsarme Konstruktion. Manche Geräte und Arbeitshilfen sind bereits seit zwei Jahrzehnten im Einsatz. Einige hätten es durchaus verdient, mit einem Patent versehen zu werden. Jedoch sind die Konstruktionen häufig speziell auf die Anforderungen des Mitarbeiters mit Behinderung und dem jeweiligen Arbeitsauftrag zugeschnitten, da seien die Kosten für ein Patent zu hoch.

Wichtiger ist Lothar Friebe der Teilhabegedanke: „Wir entwickeln Maschinen für den Menschen. Dabei steht für uns nicht nur die Optimierung der Produktion im Vordergrund. Durch die Entwicklung barrierefreier Arbeitsplätze können vor allem Menschen mit schwerer Behinderung auch an komplexeren Arbeitsabläufen teilnehmen und so die Produktion effektiv unterstützen. Darin liegt für mich ein besonderer Ansporn.“