Menschenbild steht im Mittelpunkt des deutsch-russischen Austausches

Lebenshilfe Heinsberg unterstützt Nordwestrussische Stadt Pskow beim Aufbau eines Ambulanten Pflegedienstes nach deutschem Vorbild

Es waren drei bewegende Tage im Kreis Heinsberg, so fasst Tatiana Nikolaewa ihre erste Reise nach Deutschland zusammen. Die stellvertretende Leiterin des Sozialamtes der Region Pskow reiste gemeinsam mit Mitarbeitern der örtlichen Elternvereinigung „Ich und Du“ sowie dem Heilpädagogischem Zentrum Pskow nach Heinsberg. Die russischen Gäste folgten der Einladung von Bernd Schleberger, dem ehemaligen Leiter der Rurtal-Schule und Vorstandsmitglied der Initiative Pskow e.V. in der Evangelischen Kirche Rheinland.

Seit Anfang der 1990er Jahre unterstützt die Rurtal Schule gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde Wassenberg die russische Partnerstadt beim Aufbau von Bildungs- und Fördereinrichtungen für Menschen mit geistiger Behinderung. Entstanden sind ein Frühförderzentrum, integrative Kindertagesstätten, ein heilpädagogisches Zentrum als Förderschule Geistige Entwicklung, ambulant betreute Wohneinrichtungen und eine Werkstatt für behinderte Menschen, so Schleberger. „Die institutionellen Förderansätze für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf sind in Russland bis heute sehr bescheiden. Die Verhältnisse in staatlichen Einrichtungen führen dazu, dass viele Eltern ihre Kinder mit Behinderung bewusst zu Hause betreuen und begleiten.“ Vielfältige Projekte und Aktionen habe man über die Jahrzehnte vor allem mit Unterstützung der Evangelischen Kirchengemeinde Wassenberg und der Rurtal Schule vor Ort ins Leben gerufen und bis heute begleitet.

Mit dem Älterwerden der Menschen mit Behinderung verändern sich die Erwartungen an Betreuung und Pflege, so Bernd Schleberger. Deshalb sei vor rund zehn Jahren die Gründung einer Elternvereinigung mit dem Namen „Ich und Du“ ins Leben gerufen worden, die in den vergangenen Jahren als Träger zwei ambulant betreute Wohngemeinschaften für Menschen mit geistiger Behinderung aufgebaut haben. Jedoch fehle der russischen Initiative bislang eine tiefgreifende Konzeption zur Realisierung eines ambulanten Pflegedienstes, weshalb in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Heinsberg die Idee entstand, die Arbeit des ambulanten Pflegedienstes den russischen Fachkräften zu vermitteln. Im Rahmen einer dreitätigen Exkursion, finanziert von der Aktion Mensch, die den Aufbau inklusiver Strukturen in Osteuropa unterstützt sowie der Initiative Pskow e.V., erhielten die russischen Gäste einen umfangreichen Einblick in die Arbeit der Lebenshilfe Heinsberg.

„Wir geben gerne unser Know-How nach Russland weiter und unterstützen die Förderung von Menschen mit Behinderung in Russland“, so Lebenshilfe Geschäftsführer Edgar Johnen, der die Besuchergruppe im Lebenshilfe Center empfing. Vielfältige Visiten unterschiedlicher Einrichtungen der Lebenshilfe standen auf dem Besuchsprogramm. Der Rückbesuch von Fachkräften aus der Lebenshilfe Heinsberg steht im Juni an. „Ich freue mich, den fachlichen Austausch in Russland fortzuführen“, so Judith Liebens, Leiterin der Offenen Hilfen der Lebenshilfe Heinsberg, zu denen auch der ambulanten Pflegedienst gehört. „Natürlich können wir unsere Strukturen nicht einfach auf Russland übertragen. Aber wir können unser Menschenbild und unsere Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung vermitteln. Deshalb steht die Philosophie unserer Arbeit im Mittelpunkt des Austausches.“ Mehr Informationen über die deutsch-russische Partnerschaftsarbeit mit Stadt und Region Pskow im Internet: www.initiativepskow.de sowie www.ekir.de/Pskow