Fachkräfte im Dialog: Werkstätten der Lebenshilfe Aachen und Heinsberg bieten Fachtagung Zwischen Haltung und Handlung

Rund 50 Fachkräfte der Förderbereiche der Lebenshilfe-Werkstätten Aachen und Heinsberg nahmen am gemeinsamen Fachtag „Zwischen Haltung und Handlung“ teil. Im Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath kamen sie zusammen, um neue Perspektiven und praxisnahe Ansätze für die Begleitung von Menschen mit komplexer Behinderung zu entdecken.

Judith Liebens, Werkstattleiterin der Lebenshilfe Heinsberg, und Elke Feyerl, Geschäftsleitung Soziales und Berufliche Bildung der Lebenshilfe Aachen, moderierten gemeinsam durch den Tag und luden die Teilnehmenden zu Austausch und Begegnung ein.

„Wir Fachkräfte müssen den Raum, der zwischen Reiz und Reaktion entsteht, bewusst gestalten lernen“, erläuterte Guido Rothkopf, pädagogischer Vorstand der Lebenshilfe Heinsberg in seiner gemeinsamen Begrüßung mit Norbert Zimmermann, Geschäftsführer der Lebenshilfe Aachen Werkstätten & Service GmbH die Bedeutung einer professionellen Gestaltungfähigkeit von Situationen betonte, in denen man herausforderndem Verhalten begegnet.

Thomas Fonck vom Dezernat Soziales des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) zeigte sich begeistert darüber, dass die Werkstätten Aachen und Heinsberg gemeinsam daran arbeiten, ihre Förderangebote für Menschen mit komplexer Behinderung weiter zu professionalisieren.

Beate Bonnek, Fachberaterin für herausforderndes Verhalten beim Landschaftsverband Rheinland (LVR), führte die Teilnehmenden in das SEED-Programm ein – ein Modell zur Einschätzung der emotionalen Entwicklung von Menschen mit geistiger Behinderung. In ihrem Vortrag verdeutlichte sie, dass emotionale Entwicklung nicht automatisch mit dem Lebensalter einhergeht und eine differenzierte Betrachtung dieser Entwicklung dabei helfen kann, individuelle Förderziele abzuleiten. Das SEED-Modell bietet hierfür eine strukturierte Grundlage, um Bedarfe besser zu verstehen und Handlungsmöglichkeiten im Alltag abzuleiten.

Stephanie Heinen-Gransch, Fachberaterin im Kompetenzzentrum für Autismus-Spektrum-Störungen der Lebenshilfe Heinsberg, erläuterte mit eindrucksvollen Beispielen, dass Verhaltensweisen, die im Alltag vorschnell als „provokativ“ interpretiert werden, oftmals Ausdruck seien, zum Beispiel von Unsicherheit, Überforderung oder einem unerfüllten Bedürfnis. Dagegen erfordere eine bewusste Provokation ein hohes Maß an emotionaler und sozialer Reife, das bei vielen Klientinnen und Klienten mit komplexem Unterstützungsbedarf nicht in diesem Maße vorhanden sei: „Wir Fachkräfte sind deshalb gefordert, hinter das Verhalten zu schauen, es im Kontext emotionaler Entwicklung zu betrachten und empathisch zu deuten.“

Am Nachmittag vertieften vier Workshops die Inhalte des Vormittags: So befasste sich ein Workshop mit unterstützter Kommunikation und zeigte auf, wie nonverbale Signale erkannt und gezielt aufgegriffen werden können, um Teilhabe im Alltag zu ermöglichen. Darüber hinaus wurden zahlreiche Beispiele unterstützter Kommunikationsmöglichkeiten vorgestellt – von analogen bis zu digitalen Hilfsmitteln.

Ein weiterer Workshop trug den Titel „Verstehen, was Verhalten uns sagen will“ und beleuchtete die Möglichkeiten, Ursachen und Auslöser von Verhalten zu erkennen, um professionelle Handlungsansätze in der Begegnung mit Klienten zu entwickeln. Neben einem fachlichen Input und anschaulichen Beispielen aus der Praxis gab es genügend Raum für den offenen Austausch.

Im Workshop zur praktischen Anwendung des SEED-Modells lernten die Teilnehmenden anhand von Fallbeispielen, wie emotionale Entwicklungsstufen erkannt und als Grundlage für pädagogische Entscheidungen genutzt werden können.

In einem vierten Workshop wurde erarbeitet, wie professionelle Haltung in der Arbeit mit Menschen mit komplexer Behinderung gelingen kann im Kontext der Selbstreflexion oder auch im Umgang mit eigenen Unsicherheiten. Den Teilnehmenden wurde deutlich, wie wichtig der gemeinsame Austausch und das Hinterfragen der eigenen Haltung ist, um neue Handlungsansätze zu entwickeln oder die professionelle Förderung zu verbessern.

„Solche Fachtage schaffen einen wichtigen Raum für kontinuierlichen Austausch und die Weiterentwicklung der eigenen Arbeit – fachlich fundiert und menschlich getragen“, fassten Judith Liebens und Elke Feyerl den Tag zusammen und bedankten sich gemeinsam mit für den intensiven und fachlichen Austausch.